Nicht alles gleich glauben, was man im Netz liest
(Artikel EM) Entscheidungen werden bewusst und unbewusst getroffen, und Soziale Medien wie TikTok haben einen immer größeren Einfluss auf dieMeinungsbildung. Welchen Einfluss das auf die Wahlentscheidung bei der kommenden Bundestagswahl haben kann, das war Thema eines Projekttags an den Berufsbildenden Schulen Einbeck. In Vorträgen sowie Workshops wurde untersucht, auf welche Weise soziale Medien wirken und wie man sich der unbewussten Beeinflussung entgegenstellen kann.
TikTok, erläuterte Schulleiter Renatus Döring, gehöre zu den erfolgreichsten Unterhaltungsmedien der Welt. Dass Jugendliche sich damit vier bis sechs Stunden pro Tag beschäftigt seien, sei inzwischen normal. Immerhin gestalteten die Videos den Alltag »nett«. Aber man dürfe nicht vergessen, dass sich die Sicht auf Dinge damit ändere, auch auf Politik.
Nur ein Drittel der Weltbevölkerung könne überhaupt wählen, und Deutschland gehöre dazu. »Das ist ein Riesenglück«, verwies er auf die Möglichkeit, alle vier Jahre die Regierung bestimmen zu können.
Demokratie lebe von demokratischen Parteien. In Deutschland habe man seit 80 Jahren Frieden, das habe es zuvor noch nie gegeben, und deshalb könne man sich als »Glückskind« fühlen. Somit sei es so wichtig, wählen zu gehen und einer demokratischen Partei die Stimme zu geben, die nicht zuletzt auch garantiere, dass in vier Jahren wieder Wahlen möglich seien.
Wohlstand und Meinungsfreiheit seien auch ein Ergebnis von Demokratie und von demokratischen Wahlen.
Das Kernteam Politik/Geschichte der BBS mit Melanie Filmer, Sonja Jain, Mirjam Rudolph, Christina Sandler, Katharina von der Ohe, Leonie von Gierke und Leiterin Julia Schumacher habe dazu diese Projekttage gestaltet, unter anderem mit Vertretern der Amadeu Antonio Stiftung, die dazu beitragen sollten, dass es in diesem Land gut und demokratisch weitergehe.
Es sei die gemeinsame Aufgabe, auf die Demokratie aufzupassen, hieß es im Impulsvortrag vor den Workshops. Wählen zu gehen sorge dafür, die Demokratie lebendig zu halten. Demokratie sorge dafür, dass nicht nur auf die Lauten im Land geguckt werde, sondern dass sich alle frei sagen könnten, was ihnen nicht passe – das sollte auch nach dem 23. Februar noch der Fall sein.
Aber Soziale Medien können unbewusst beeinflussen, das gilt auch für das politische und soziale Denken. Beiträge, bei denen man über den Nationalsozialismus lachen solle, würden von rechten Gruppen nicht zufällig gepostet,
sondern als gezielte Meinungsmache.
Wählen, hieß es, sei ein Privileg, damit sollte man verantwortungsvoll und vorsichtig umgehen. Ratsam sei dabei, verschiedene Informationsquellen zu nutzen. Talkshows, Nachrichten, Youtube, Zeitungen, »informiert euch aktiv«, so der Appell an die Schüler. Wer sich nur über Soziale Medien informiere, bekomme den Eindruck dass Migration das größte Thema überhaupt sei. Dabei sei der Klimawandel weltweit das wichtigere Problem.
Grund für diese Wahrnehmung sei die sogenannte Bubble, »da drin erreichen dich nur ähnliche Themen.« Es sei schwierig, dass Demokratie die Jugendlichen erreiche, denn Antidemokraten seien laut(er) und somit extrem präsent. Wer selbst poste, sollte darauf achten, dass es sich um demokratische Inhalte handele.
Schwierig sei es, zwischen objektiver Nachricht und Meinung zu unterscheiden, und in den Sozialen Medien würden Meinungen oft als Fakten dargestellt. Wer schwierige Themen in 30 Sekunden erklären könne, finde viel Anklang. Eine Gefahr seien Inhalte, die ohne Standards erstellt und gepostet würden.
Es gehe nicht darum, dass alle die gleiche Meinung hätten. Aber Behauptungen, dass es in Deutschland keine Meinungsfreiheit gebe, dass keine freien Wahlen stattfinden und die Grundrechte nicht eingehalten würden, seien leicht zu widerlegen. Das seien Falschinformationen. Und Behauptungen zu angeblichen Wahlfälschungen würden zudem immer wieder auftauchen.
Antidemokratische Bewegungen würden Künstliche Intelligenz (KI) nutzen um Fotos zu erstellen, die »total real« wirkten. So könnte durch Manipulation eine verkürzte Denkweise unterstützt werden mit Inhalten, die man nicht ohne nachdenken konsumieren sollte – dabei im Blick behaltend, was so etwas mit der eigenen Meinung mache.
Immer gegenwärtiger werde Hass im Netz. »Schreitet ein«, so die Bitte an die jungen Zuhörer, »denn Schweigen gibt den Aggressiven Raum, und das bedroht die Demokratie.« Dass Hass und Demokratiefeindlichkeit zunehmen würden, liege zum Teil am Algorithmus: Er erkenne und verstärke, was die Nutzer anklicken würden. Um Fakten und Meinungen unterscheiden zu können, gebe es verschiedene nützliche und seriöse Portale, und TikTok und Instagram hätten ebenfalls Faktchecking-
Möglichkeiten.
Auch Influencern sollte man nicht immer vertrauen, sie seien nicht unfehlbar, und es könne nicht schaden, ihre Inhalte kritisch zu hinterfragen. Wer zu einem speziellen Thema viel wisse, sei nicht unbedingt in anderen Bereichen ebenfalls Experte. Quellen checken, gucken, ob sie von Fachleuten kommen und ob sie seriös sind, darauf sollte man achten. Besonders kritisch sollte man bei sogenannten Breaking-News-Momenten sein: besser auf verlässliche Quellen, auf offizielle Bestätigun-
gen von Inhalten, etwa durch Behörden und Polizei, warten, und skeptisch sein bei Social- Media-Videos und Bildern.
Man sollte nicht vorschnell Inhalte teilen und gerade auf reißerische Sprache und Clickbait achten, also das Klickködern.
Hilfreich sei auch, Zeiten für Social-Media-Nutzung festzulegen, um endloses Scrollen zu vermeiden: »Pausen helfen, Informationen zu verarbeiten. Und vergesst das Analoge nicht«, so der weitere Rat. »Viele kleine Leute, die an
vielen kleinen Orten viele kleine Dinge tun, können das Gesicht der Welt verändern«, laute ein afrikanisches Sprichwort.
InWorkshops wurden die Inhalte weiter vertieft: Es ging um Desinformation, Hate Speech und digitale Zivilcourage, die Erstellung von demokratischen Inhalten für TikTok sowie um Social Media im Wahlkampf zwischen Medienkompetenz und Falschinformation. Neben Referenten der Amadeu Antonio Stiftung waren auch Vertreter der Georg-August-Universität Göttingen beteiligt.
»Mitgemacht und mitgedacht« hätten die Schüler, so das Lob in der Abschlussbesprechung. Ein solches Angebot könne man durchaus wiederholen, auch präventiv. Der Umgang in den Workshops sei respektvoll und reflektiert gewesen. Überrascht seien die Zuhörer gewesen, wenn Fake News oder Meinungen aufgelöst wurden – verbunden mit der Erkenntnis, gut darauf zu achten, dass man nicht alles sofort glaube.